Besitz und Eigentum

In der heutigen Zeit und in meinem Leben ist Besitz eines der zentralen Themen. Daher nehme ich sehr gern an der von Eva Ihnenfeldt (SteadyNews) ausgeschriebenen Blogparade Besitz: Lust oder Last teil.

Was ist eigentlich Besitz und was besitze ich tatsächlich?

Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen Besitz und Eigentum. So befindet sich beispielsweise eine Mietwohnung im Besitz eines Mieters, ist jedoch Eigentum eines Vermieters. Man sollte sich daher auch im Klaren darüber sein, dass auch Mietsachen im eigenen Besitz sind. Und auf diesen Besitz muss genau so geachtet werden, als wäre es der eigene. Egal was geliehen wird, es befindet sich zeitweilig im eigenen Besitz. Es muss so zurückgegeben werden, dass der Verleiher es ohne weitere Maßnahmen weiter verleihen kann. Insofern entledigt Leihen nicht von der Last der Verantwortung. Man kann nur leichter seinen Besitz wieder loswerden oder ändern.

Für einen sehr wichtigen Teil meines Lebens, das Wohnen, habe ich beschlossen, auf Eigentum zu setzen. Diese Entscheidung beschert mir einerseits etwas mehr Unabhängigkeit, andererseits mehr Verantwortung. Im eigenen Haus zu wohnen kann eine Grundlage für einen minimalistischen Lebensstil sein. Doch egal wie man in unserer durchzivilisierten Welt lebt, man braucht Geld, wenn man sesshaft bleiben will. Also ist eine Einkommensquelle notwendig. Ob ich von Arbeit, Rente oder sonstwas mein Leben finanziere, wichtig ist, dass ich es finanzieren kann.

Daher ist meine Arbeitskraft, meine Gesundheit, mein Wissen und meine Fähigkeit, mich allen möglichen Situationen anpassen zu können, mein wichtigster Besitz oder doch besser Eigentum. Denn das gehört ausschließlich mir. Auch wenn es mir teilweise genommen werden kann, so ist einem anderen nicht möglich, sich das anzueignen. Zum Beispiel kann jemand anderes meine Gesundheit schädigen, er wird dadurch selbst jedoch nicht gesünder.

Kein Besitz: Last oder Lust?

Was besitze ich außerhalb meiner Selbst? Was gehört mir? Bevor ich mir Gedanken darüber machen kann, was ich besitzen, beziehungsweise worauf ich meinen Besitz reduzieren möchte oder reduzieren kann, muss mir klar sein, auf was ich zu verzichten bereit bin. Das ist keine einfache Frage. Ich bin mir beispielsweise auch sehr bewusst darüber, wie vergänglich Besitz sein kann. Mancher Besitz verbraucht sich einfach, nützt sich ab, wird verloren oder auch gestohlen. Je mehr ich an Besitz festhalte, desto größer wird mir seine Last. Je verzichtbarer mir ein Besitz wird, desto leichter kann ich ihn loslassen.

Wenig zu besitzen kann einem das Gefühl geben, frei und unabhängig zu sein, nichts wirklich Wichtiges verlieren zu können. Doch es kann auch zum Gegenteil werden. Vor allem Menschen, die für andere verantwortlich sind oder für sie sorgen müssen, werden bei (zu) geringem Einkommen wenig Lust auf Einfachheit verspüren. Anne Donath hat ein eigenes Haus und bekommt monatlich 800 Euro. Für einige Menschen in unserem Land wär das ein Vermögen!

Es stellt sich folglich die Frage: Kann ich es mir leisten, sehr einfach beziehungsweise minimalistisch zu leben?

1. Was ist Besitz für mich? Mehr Lust oder mehr Last?

Mir ist es wichtig, dass mein Besitz einen Nutzen hat. Das macht es einfacher zu entscheiden, ob ich etwas brauche oder nicht. Beispiel: Auto. Ich brauche es, um zu meinen Einsatzorten zu fahren und um Sachen zu transportieren. Deswegen fahre ich einen Kombi. Ein Sportwagen, möglicherweise gar als Statussymbol, wäre für mich ein belastender Besitz. Das nachhaltige Pflegen und das Vorführen eines solchen Autos sähe ich als Zeitverschwendung.

Als junger Mensch bin ich zum Studieren nach Berlin gezogen. Was ich zum Leben brauchte, ging in einen Renault R4. Das waren eine Matratze (3-teilig), Bettwäsche, Handtücher, ein Koffer mit Klamotten, eine Bücherkiste, zwei Kochtöpfe, etwas Geschirr und ganz wichtig: meine Stereo-Anlage mit meinen Vinyl-Schallplatten. Mein damaliger Anfang mit immerhin mehr als 100 Besitztümern war auch deswegen minimalistisch, weil ich alles, was ich nicht brauchte, im Hause meiner Eltern lassen durfte.

Ich habe damals immer gesagt, ich brauche nicht mehr als mein Bett, meine Bücher und meine Musik. Essen und Trinken natürlich auch, aber darin sehe ich einen “durchlaufenden Posten”. Im Grunde denke ich, auch heute könnte mir das reichen. Vieles besitze ich, weil es sich irgendwie angesammelt hat, weil ich irgendwann einmal dachte, ich brauche es. Werkzeug, Möbel, Wäsche, Töpfe, Gläser und Geschirr, Zeitschriften und mehr oder weniger wichtige Unterlagen füllen unser Haus. Von Computern und Zubehör ganz zu schweigen. Es dürfte mir inzwischen nicht mehr ganz leicht fallen, meine Besitztümer auf ein Mindestmaß zu reduzieren.

In vielen Fällen empfinde ich Besitz als Last, da Besitz Verantwortung fordert und mich in meiner Freiheit einschränkt. Wir hatten früher Katzen. Das ist ein Besitz, der Aufmerksamkeit erfordert. Katzen kann ich nicht einfach in die Ecke stellen, wenn ich in die Ferien fahre. Aber Katzen können auch viel Freude bereiten. Das trifft auch auf meine Musiksammlung zu. Zum Glück ist es inzwischen nicht mehr notwendig, Tonträger zu sammeln. Freude bereitet mir auf jeden Fall, Musik zu hören. Ich bin mir nicht sicher, ob man Musik besitzen kann.

Meine Platten- und meine Büchersammlung sind gewachsen und gewachsen. Dazu kamen Möbel, Fernseher, DVDs und Blu-Rays samt Abspielgerät, Teppiche, Lampen, Schuhe, Kleidung und neuerdings auch Rasenmäher sowie diverse Gartengeräte. Es sind also immer mehr Besitztümer geworden. Mit den Jahren hat sich also viel Zeugs angesammelt, an das ich mich gewöhnt habe.

Könnte ich auf all meinen Besitz verzichten oder wenigstens meine Besitztümer auf das Notwendigste reduzieren? Mit dem Notwendigsten stoße ich auf den ersten dehnbaren Begriff. Was ist notwendig, was brauche ich, damit ich den nächsten Winter in Deutschland überstehen kann? Zugleich muss ich überlegen, was will ich aus meinem Leben machen? Was brauche ich, um ein erfülltes Leben zu führen? Was bedeutet ein erfülltes Leben für mich, was verstehe ich darunter?

Vermutlich könnte ich zur Definition dessen, was für mich das Notwendigste darstellt, einen eigenen Blogbeitrag schreiben. Das wäre sicherlich reizvoll. Also – kurz zusammengefasst: Besitz ist für mich Last und Lust gleichzeitig. Je nachdem, wie ich mich gerade fühle, empfinde das eine oder andere. Vielleicht sollte ich noch sagen, dass ich mich noch nie über Besitz definiert habe. Besitz sollte auf jeden Fall eine praktische Funktion erfüllen und nicht mich aufwerten.

2. Könnte ich mir vorstellen, wie Anne Donath zu leben?

So wie Anne Donath möchte ich nicht leben. Ein solcher Weg wäre nichts für mich. Meine Vorstellung von einem minimalistischem Leben ist komplett anders. Mal abgesehen davon, dass ich entschieden habe, nicht allein zu leben, möchte ich die gewachsenen Strukturen in meinem Leben, all das, was sich um mich herum entwickelt hat, nicht aufgeben. Zumindest jetzt nicht.

Aber mal angenommen, ich würde mich für ein minimalistisches Leben entscheiden. Das müsste für mich dann noch radikaler sein. Ich wollte keine Unterkunft mehr besitzen und meine Habseligkeiten sollten in einen Rucksack passen, ähnlich wie bei der digitalen Nomadin Carina Herrmann. Allerdings wäre ich dann nur noch zu Fuß unterwegs.

Etwa 1981 bin ich einem Menschen begegnet, der auf den ersten Blick wie ein Penner aussah. Er war aber nicht heruntergekommen, nur entsprechend seiner Möglichkeiten gepflegt. Er war auch kein Alkoholiker und vor allem behauptete er, sein Außenseiterdasein hätte er bewusst gewählt. Für mich war er damals der Inbegriff der persönlichen Freiheit. Er wanderte wohin er wollte, er half bei der Ernte oder machte kleine Arbeiten, wenn er etwas Geld oder Nahrung brauchte. Er vermied es so gut er konnte, der öffentlichen Hand zur Last zu fallen. Ein durchs Land wandernder Eremit, der die Abgeschiedenheit in sich selbst suchte.

Früher nannte man solche Leute Landstreicher, er selbst bezeichnete sich als Berber. Wen’s interessiert, hier ist ein kleiner Werkstattbericht von Dr. Stefan Schneider, in dem er seinen Versuch der Begriffsbestimmung für Berber veröffentlicht hat: http://www.drstefanschneider.de/armut-a-wohnungslosigkeit/dokumente/431-kiebel-hannes-qna-du-alter-berberq-beschreibung-der-spurensuche-zum-begriff-berlin-1995.html.

Das wäre mein Traum von einer minimalistischen Lebensweise. So ähnlich würde ich es auch machen wollen. Was mich davon abhält, ist mein soziales Umfeld, für das ich mich entschieden habe. Das ist mir so wertvoll, dass ich keinesfalls bereit bin, den Preis des Verlustes meiner Frau und meiner Freunde zu bezahlen. Aber auch Bücher, Musik und digitale Kommunikation könnte ich nur schwer sein lassen. Vielleicht bin ich inzwischen auch schon zu alt für so ein Leben. Der Reiz ist jedoch geblieben.

3. Was bedeutet uns heute die finanzielle Absicherung unserer Kinder?

Ich wollte nie Kinder haben; habe mich nie reif dazu gefühlt, Nachwuchs aufzuziehen. Meine Erfahrung mit Eltern, Erziehern und Lehrern war schlecht. Ich wollte nie so jemand werden, der die Freiheit eines anderen Menschen einschränkt, nur weil er denkt, er wüsste es besser und muss ihn erziehen. Ich empfinde Erziehung auch heute noch weitgehend als übergriffig. Da ich selbst nur auf meine Erfahrung zurückgreifen kann, weiß ich nicht, wie es besser gehen könnte.

An „finanzielle Absicherung“ glaube ich nicht. So etwas gibt es nicht für mich. Unser einzig wirklicher Besitz ist lediglich das, was uns nicht weggenommen werden kann. Insofern halte ich das Festhalten an Dingen, an Besitz für nutzlos. Denn es kann nur zeitweilig gelingen, und man weiß nie, was morgen sein wird. Uns bleibt unsere Erfahrung, was wir uns angeeignet haben, was in unseren Köpfen gespeichert ist. Die meisten von uns sind in der Lage, Erfahrungen zu machen, sich Wissen und Weisheit zu erarbeiten. Die dafür notwendigen Gaben haben wir in ausreichender Menge für unseren Lebensweg geschenkt bekommen.

Dieser „geistige Besitz“ ist mir sehr viel wert, weit mehr als aller Besitz, den ich angehäuft habe. Dieser Besitz ist mehr Lust als Last. Ich bin mir absolut sicher, dass mir mein Wissen und meine Erfahrung viel weiter helfen können als jeglicher Besitz, der mir weggenommen werden kann.

Nachtrag (1.11.2016):
Gerade bin ich auf einen Artikel von Alain Veuve gestoßen, der sich mit Besitz und Eigentum befasst: Wie Besitz das Eigentum schleichend ersetzt. http://www.alainveuve.ch/wie-besitz-das-eigentum-schleichend-ersetzt/. Es geht im Wesentlichen darum, wie sich Besitz und Eigentum verändern, beziehungsweise wie sich die Gesellschaft hin zu einer „Sharing Economy“ entwickelt. Lesenswert.

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